Fragen über Fragen

Ich wurde von meinem Online-Match mit Fragen zum Diabetes gelöchert und online gestalkt. Nach Yeah, he liked you back könnt ihr hier nun die Fortsetzung aus der Sicht meiner Freundin Isabelle lesen. Viel Spass!

Bild via stockunlimited.com, Bild ID: 2008310

“Yeah, he liked you back” erschien auf meinem Display. Es gab tatsächlich einen Match zwischen dem Mann mit der kaputten Bauchspeicheldrüse und mir. Da er in seinem Profil bereits darauf hingewiesen hat, dass er nicht den ersten Schritt machen würde, schrieb ich ihm kurzerhand selber. “Schöne Weihnachten wünsche ich dir! Ich hoffe, du geniesst den Tag mit deiner Familie?” Ja, es war tatsächlich der 24. Dezember. Und siehe da, es kam auch etwas zurück. Unsere Gespräche bezogen sich erst mal auf Weihnachten, danach klärten wir die Standard-Fragen, um überhaupt mal zu wissen, was für ein Mensch hinter den Fotos steckt. “Wann wird er wohl seinen Diabetes ansprechen?”, überlegte ich mir. Ich wollte nicht diejenige sein, die ihn darauf anspricht, obwohl bereits da mein Wissensdurst riesig war. Einerseits wusste ich ja nicht, wie er mit dem Thema umgeht und andererseits wollte ich ihn als Mensch kennenlernen, nicht nur sein Diabetes.

Als das Thema dann aber mal angesprochen war, gab es für mich kein Halten mehr. Ich löcherte ihn mit Fragen. Tausend Fragen! Und seine Reaktion: er beantwortete alle meine Fragen mit einer immensen Geduld. Von diesen Stunden, die wir mit Schreiben verbracht haben, ging auch viel Zeit ins Land, in der wir über den Diabetes gesprochen haben. (Und wir hatten viele Stunden zur Verfügung, da ich in der Türkei im Urlaub war und er ebenfalls ein paar freie Tage hatte). Je mehr ich über den Diabetes erfahren habe, desto tiefer wollte ich in die Thematik eintauchen. Ich wollte die Logik hinter dem Diabetes verstehen. Warum hat er eine Unterzuckerung? Was muss er tun, um eine Unterzuckerung zu vermeiden? Was muss er machen, wenn sein Blutzuckerwert zu hoch ist? Was sind die Folgen von zu hohen oder zu niedrigen Werten? Gibt es Langzeitfolgen und wenn ja, welche? Dies ist nur eine kleine Aufzählung von Fragen, mit denen ich Andreas löcherte.

Zusätzlich googelte ich intensiv zu diesem Thema. Ich fand heraus, dass er seit längerer Zeit einen eigenen Blog betreibt und Videos auf Youtube hat. Ich fühlte mich, wie einer dieser Stalkerfrauen, die alle Kanäle ausspionieren, um möglichst viel herauszufinden. Ich sah Videos, in denen er sich den Sensor und Katheter setzt, in anderen spricht er über diverse Themen wie “Diabetes und Sport” oder “Unterzuckerung”. Sein Blog ist voll mit persönlichen Posts darüber, dass nicht immer alles rund läuft und er oftmals frustriert ist, aber auch dass er Erfolge verzeichnet und ganz gut mit dem Diabetes zurecht kommt. Andere Posts sind sehr sachlich und beschreiben die neuesten Entwicklungen im Diabetes-Bereich. Mit der Zeit stellte ich Fragen, die eher tabu sind. Sex ist doch ebenfalls körperliche Anstrengung – wie macht das ein Diabetiker und was muss er dabei beachten? Was macht er mit der Insulinpumpe in dieser Zeit? Wie lange dauert es, bis ein Diabetiker stirbt, wenn kein Insulin gespritzt wird oder zu viel Insulin abgegeben wird? Und auch bei diesen Fragen nahm er sich alle Zeit der Welt, mir sein Wissen über Diabetes zu vermitteln.

Einer der Schlüsselmomente war, als er mir ein Text über das Thema “Typ F” schickte (Anmerkung: dieser Beitrag bei mein-blutzucker.ch). Typ F bezeichnet Mensch in der näheren Umgebung eines Diabetikers, die involviert sind und ihn dabei unterstützen. Er erklärte mir, dass er aktuell keinen Typ F hat und eigentlich auch nie einen hatte. Ich las seine persönlichen Geschichte dazu und wusste in genau dem Moment, dass ich gerne ein Typ F werden würde, unter der Voraussetzung, dass wir uns auch wirklich verlieben und er dann auch zulässt, dass ich mich involvieren darf. Immer wieder hat er erwähnt, wie er mein Interesse schätzt und er dies bisher noch nie so kennengelernt hat. Alleine durch die vielen Fragen und Diskussionen mit Andreas war ich schon mehr involviert als viele andere in seinem Umfeld.

Noch immer in der Türkei konnte ich es kaum erwarten, nach Hause zu fliegen und ihn zu treffen. Aber schon da wusste ich: Er ist das grösste Weihnachtsgeschenk, welches ich je erhalten habe, weil er mein Leben bereits zu diesem Zeitpunkt mit seiner aufgeschlossenen Art so stark bereichert hat, wie kaum ein Mensch zuvor.

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